Frauenpower in der Formel 1 - Mit Vollspeed Richtung Gleichstellung?
Die Zahl der Frauen, die in den großen Rennserien an den Start gehen, ist derzeit noch vergleichsweise gering. Wir haben recherchiert, welche Frauen in der Vergangenheit bereits die großen Rennstrecken unsicher gemacht haben und welche Entwicklung man für die Zukunft erwarten kann.
Wir schreiben das Jahr 2021. Längst ist das Thema Gleichstellung zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe geworden und begleitet uns in unserem Alltag – so auch im Motorsport. Zwar ist die Zahl der weiblichen Rennpilotinnen in bekannten Rennserien im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen noch sehr gering, doch haben einige weibliche Fahrerinnen bereits an vergangenen und aktuellen nationalen und internationalen Rennen teilgenommen. So zum Beispiel aktuell in der Deutschen Tourenwagen Masters (DTM), in der Sophia Flörsch als Pilotin antritt. Dagegen findet man in der bekanntesten Rennserie, der Formel 1, derzeit keine weibliche Protagonistin hinter dem Steuer. Betway Sportwetten untersucht die aktuelle Situation in den bekanntesten Wettbewerben sowie historische Entwicklungen, zeigen potenzielle Herausforderungen auf und wagen einen Ausblick in die Zukunft.
Erste weibliche Formel 1 - Pilotin im Jahr 1958 - die letzte im Jahr 1992
Aktuell sucht man vergeblich nach weiblichen Formel-1-Pilotinnen. Zwei Fahrerinnen haben jedoch in der Vergangenheit bereits an einem Grand Prix teilgenommen: Die Italienerin Maria Teresa de Filippis war beim Großen Preis von Belgien 1958 die erste Frau, die bei einem Formel 1 Rennen startete und als Zehnte das Rennen beendete. Lella Lombardi, ebenfalls Italienerin, konnte beim (abgebrochenen) Grand Prix von Spanien 1975 als Sechste sogar einen halben WM-Punkt erringen. Sie ist damit die bisher einzige weibliche Pilotin, die sich in einem Formel-1-Grand-Prix in die Punkteränge fuhr (und gleichzeitig auch die erste Frau, die an einem Rennen der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft teilnahm). Darüber hinaus nahmen drei weitere Fahrerinnen an Weltmeisterschaftsläufen der Formel 1 teil, jedoch ohne sich für einen Grand Prix-Start qualifizieren zu können: Divina Galica, Desiré Wilson sowie Giovanna Amatis. Letztere war im Jahr 1992 die letzte weibliche Teilnehmerin an einem Formel 1 Grand Prix.
Weibliche Personen in der Formel 1 außerhalb der Cockpits
Dennoch haben derzeit einige Frauen wichtige Positionen in F1-Teams inne, z.B. in Test-Sessions oder wie z.B. Ruth Buscombe, Senior Strategy Engineer bei Alfa Romeo, oder Chloe Targett-Adams, Global Director of Race Promotion der Formel 1. Monisha Kaltenborn war von 2012 bis 2017 die erste weibliche Teamchefin in der Formel 1 und hielt zudem ein Drittel der Anteile an der Sauber Motorsport AG. Mit Claire Williams, der stellvertretenden Teamchefin des Rennstalls Williams (2013-2020), folgte die nächste weibliche Führungskraft. Auch Persönlichkeiten wie Sabine Kehm, seit 2010 Managerin von Michael Schumacher und dessen Sohnes Mick, zeigen, dass Frauen im Motorsport auch abseits der Rennstrecke wichtige Funktionen übernehmen.
Aktuell zwei weibliche DTM-Pilotinnen
Wie sieht die aktuelle Situation in anderen bekannten Rennserien aus? Zum Beispiel gibt es im Gegensatz zur F1 derzeit mit der Deutschen Sophia Flörsch und der Engländerin Esmee Hawkey zwei weibliche DTM-Pilotinnen - nach neun Jahren ohne weibliche Beteiligung. Auch in der Vergangenheit gab es in der DTM bereits einige weibliche Fahrerinnen. Beate Nodes war im Jahr 1985 die erste Deutsche in diesem Wettbewerb, Ellen Lohr die erfolgreichste weibliche Pilotin der DTM-Geschichte. Auf dem Hockenheimring konnte sich Lohr 1992 hierbei den ersten und einzigen Rennsieg einer weiblichen Pilotin sichern – als sie in ihrem Mercedes den Formel 1-Weltmeister Keke Rosberg kurz vor Rennende überholte. Zudem erreichte sie fünf Podestplätze und sicherte sich eine schnellste Rennrunde. Die letzte Pilotin, die in die Punkteränge bei einem DTM-Rennen fuhr, war im Jahr 2011 die Schweizerin Rahel Frey.
Frauen in anderen Rennserien
In der Formel E ging zuletzt 2015/16 mit der Schweizerin Simona de Silvestro eine weibliche Pilotin an den Start. Daneben starteten vormals mit Michela Cerruti und Katherine Legge zwei weitere weibliche Fahrerinnen in diesem Wettbewerb, wenn auch nur für wenige Rennen. Susie Wolff (Ehefrau von Toto Wolff, dem Teamchef und CEO des Mercedes AMG Petronas F1 Teams) ist zudem die erste und bisher einzige weibliche Teamchefin eines Formel-E-Teams (Venturi Racing).
Michèle Mouton gelang es 1982 als erster Frau der Gesamtsieg bei einem Rallye-Weltmeisterschaftslauf. Noch heute gilt die Französin als die erfolgreichste Rallyefahrerin der Motorsport-Geschichte. Die deutsche Jutta Kleinschmidt zählt zu den weltweit erfolgreichsten Motorsport-Pilotinnen, u.a. da sie 2001 als erste und bisher einzige Frau, eine Gesamtwertung der Rallye Dakar gewinnen konnte. In der Vergangenheit gab es auch andere nennenswerte Fahrerinnen in anderen Rennserien, wie Sabine Schmitz (WTC). Allerdings sind die weiblichen Fahrerinnen vielmehr auf verschiedene Serien verteilt und noch nicht so erfolgreich im Hinblick auf die Anzahl der Rennen, Titel, etc. Weitere aktuelle weibliche Fahrerinnen finden sich unter anderem auch in verschiedenen NASCAR-Serien und in der IndyCar-Serie (wie Xfinity oder Truck Series).
Was sind die Ursachen?
In den größten Rennserien sind weibliche Pilotinnen deutlich unterrepräsentiert. Doch wie sind diese Unterschiede zu erklären? Wenn wir von einer etwa gleichen Geschlechterverteilung ausgehen, sollte sich ein deutlich höherer Anteil des weiblichen Geschlechts im Motorsport finden lassen. Nachfolgend möchten wir einige mögliche Ursachen aufzeigen.
Körperliche Leistungsfähigkeit
Ein vielgehörtes Argument ist die geringere körperliche Leistungsfähigkeit von Frauen - insbesondere im Hinblick auf die starken G-Kräfte, die in der Formel 1 wirken. Dass auch Frauen diesen standhalten können, belegen die zuvor genannten Beispiele. Und wenn wir schon von Grenzen körperlicher Leistungsfähigkeit sprechen: Selbst bei den RaumfahrerInnen auf der ISS ist die Frauenquote mit etwa 16% höher als im Motorsport. Der Blick über den Tellerrand hilft, sich dem Thema von einer weitsichtigeren Perspektive zu nähern.
Fehlende Vorbilder
"Wenn du als Mädchen keine Frau als Vorbild hast, ist es schwer." (Sophia Flörsch, 2019.). Natürlich gibt es einige prominente Beispiele, leider sorgen diese historischen Größen nicht für eine entsprechende Aufmerksamkeit bei der heutigen Jugend. Gerade die ambitionierte Sophia Flörsch und Esmee Hawkey können in der DTM Meilensteine setzen und sich selbst zum Vorbild kommender Generationen entwickeln. Diese Vorbilder fehlen in der Formel 1 derzeit, sodass ein Zugang für weibliche Fans und nachfolgende Pilotinnen durchaus schwieriger ist als für männliche Kollegen.
Veraltete Rollenbilder
Formel 1 und Frauen - was kommt womöglich noch vielen unterbewusst als erstes in den Sinn? Den meisten Menschen wohl die schön anzusehenden „Grid Girls“, die sich neben den PS Boliden präsentieren. So antiquiert diese Marketing-Strategie bei den heutigen gesellschaftlichen Normen auch anmutet: Tatsächlich wurden die „Grid Girls“ erst 2018 abgeschafft. Dass den leicht bekleideten Damen in vielen Formel 1-Kreisen noch nachgetrauert, sogar offen über eine Rückkehr der Damen diskutiert wird, zeigt, dass die Werte der Formel 1, bzw. des Sports noch nicht überall angekommen sind.
Finanzielle Hürden
Einmal im Cockpit eines Formel 1 Autos sitzen? Neben Talent und Einsatz ist hier vor allem eines nötig: Geld. Neben den Materialkosten, die schon beim Kartsport im mittleren 4-stelligen Bereich liegen, kommen sog. Saisonkosten hinzu. Belaufen sich diese beim Kartsport noch auf ca. 10.000,-€ pro Saison, steigen die Kosten in der Formel 3 schon auf 1,2 Millionen Euro. Überschlagen kommt man also um eine Investition im mittleren 7-stelligen Bereich nicht herum, um sich seinen Traum der Formel 1 zu erfüllen. Bestimmt kommen nicht weniger Mädchen aus reichen Familien wie Jungs, jedoch birgt die (noch) geringere Aufmerksamkeit für den Frauensport ein anderes Problem: Weniger Attraktivität für Sponsoren.
Nachwuchs-Förderung
Historisch bedingt wurden dem Rennsport vermehrt maskuline Attribute zugesprochen. Gerade deshalb ist es so wichtig, den Geschlechter-Blickwinkel nachhaltig in die Nachwuchs-Programme zu integrieren. Diese Programme werden sowohl von Herstellern (Initiative von Ferrari), von einzelnen Rennserien (z.B. W-Series, Formel E), von den Verbänden (FIA) als auch von externen Unterstützern (ADAC) implementiert.
Im Fokus: Initiativen zur Frauenförderung im Rennsport
Initiative von Ferrari & FIA
Mit der im Sommer 2020 gestarteten Initiative „FIA Girls on Track – Rising Stars” sollen die besten Talente im Alter zwischen 12 und 16 Jahren entdeckt und gefördert werden. Das Ziel: zwei Fahrerinnen in der Fahrerakademie der Scuderia sowie eine Frau in der Formel-4-Serie. Das Projekt ist auf vier Jahre angelegt, doch schon im Frühjahr 2021 konnte mit Maya Weug (16 Jahre) die erste Frau zu Ferrari gebracht werden. Michèle Mouton, Präsidentin der FIA-Kommision für Frauen im Motorsport dazu: „Ferrari ist die Referenz. Und die erste Frau im roten Rennanzug zu sehen, bedeutet viel. Wir müssen den Mädchen schon in jungem Alter gute Chancen ermöglichen.“
Die W Series - Frauenpower pur
Die seit dem Jahr 2019 mit Formel 3 Rennwagen ausgetragene W Series ist eine internationale Rennserie an der ausschließlich weibliche Fahrerinnen an den Start gehen können. Die acht Läufe des Rennkalenders 2021 werden in Österreich, Großbritannien, Ungarn, Belgien, den Niederlanden, den USA und Mexiko im Rahmen der Formel 1 ausgetragen. 2019 fanden die Läufe noch im Rahmen der DTM statt, 2020 wurden sie wegen der COVID-19-Pandemie abgesagt. Zudem erhalten die ersten acht Fahrerinnen der Gesamtwertung seit 2021 Superlizenz-Punkte.
Frauenquote bei Extrem E Rallye
Nicht nur beim Antrieb, auch in Richtung Gleichstellung geht die Extrem E Rallye neue Wege: Die Verpflichtung der Teams, sowohl männliche als auch weibliche FahrerInnen bei den Rennen einzusetzen, ist eine Weltneuheit. Somit wird sich jedes Team in der Debütsaison 2021 aus einer Fahrerin und einem Fahrer zusammensetzen. Seriengründer Alejandro Agag dazu: „Der Motorsport sollte heutzutage die Gesellschaft widerspiegeln.“
Die Verantwortung über die Koordination und Umsetzung der Initiativen liegt, systembedingt, bei der Dachorganisation des Motorsports – der FIA (Fédération Internationale de l'Automobile). Die eigens gebildete Kommission für Frauen im Motorsport ist sich der Herausforderungen und Chancen bewusst: „Motorsport ist in der Tat eine der wenigen Sportarten, wo Männer und Frauen gegeneinander antreten können und es auch tun. Darin ist der Rennsport einzigartig und wir sollten stolz darauf sein.“ (Michèle Mouton, Präsidentin der Kommission).
Die erste Frau auf dem F1-Siegertreppchen - nur noch eine Frage der Zeit?
Es ist festzuhalten, dass nicht nur auf der Strecke, sondern in allen Facetten des Rennsports der Fokus (noch) auf dem männlichen Geschlecht liegt – insbesondere in der Formel 1, wo derzeit keine weibliche Pilotin an den Start geht. Einen optimistischen Ausblick bietet die Tatsache, dass das Thema Gleichstellung bereits in vielen Bereichen dieses Motorsports angekommen ist und hierzu gezielt Initiativen entwickelt werden, auch wenn noch einige Kilometer bis zum Ziel zu absolvieren sind. Darüber hinaus wird es auch wichtig sein, das Thema Gleichberechtigung gesellschaftlich voranzubringen und auch jungen weiblichen Fahrerinnen die Möglichkeit zu geben, es ihren männlichen Kollegen gleichzutun. Erfolgreiche weibliche Fahrerinnen, insbesondere in den großen Rennserien, dürften dann eine wichtige Sogwirkung als Vorbilder für nachfolgende Generationen erzeugen. Dann ist es sicherlich nur noch eine Frage der Zeit, bis die erste weibliche Pilotin auf dem Siegertreppchen eines Formel 1 Grand Prix die Korken knallen lassen kann.