Die Art und Weise, wie Novak Djokovic in den letzten beiden Spielen der ATP Finals gespielt hat, war die beste Leistung, die ich innerhalb von zwei Tagen je gesehen habe.

Carlos Alcaraz servierte 84 Prozent seiner ersten Aufschläge und verlor trotzdem 3:6 und 2:6. Jannik Sinner war über 90 Prozent des Turniers der beste Spieler, aber am Ende ist Novak einfach durchgedreht. Ich glaube nicht, dass ich ihn jemals besser aufschlagen gesehen habe als in dieser Woche.

Ich finde es erstaunlich, wie er sich seine Punkte aussuchen kann und nicht viel Zeit braucht, um in Matchform zu kommen. In Bercy und Turin wurde er schon früh unter Druck gesetzt, aber im Laufe der Turniere scheint er immer besser zu werden.

Novak hat schon fast alle wichtigen Statistiken auf seiner Seite, hat aber immer noch Jimmy Connors' Turnierrekord von 109 Titeln vor sich. Das ist sicherlich etwas, das in seiner Reichweite liegt, also erwarte ich, dass Nole diese Zahl mit Sicherheit anstreben wird, so wie er es mit so vielen anderen Rekorden getan hat. Wenn er erstmal alle Statistiken innehat, werden wir vielleicht eine Vorstellung davon bekommen, wie der weitere Zeitplan für ihn aussehen wird.

SINNER HAT DAS NÄCHSTE LEVEL ERREICHT

Es war eine tolle Woche für Sinner nach einem großartigen halben Jahr. Er hat jetzt das Stadium erreicht, in dem er die Nummer 3 oder 4 der Welt ist und jede Woche mitmischt. Plötzlich hat man das Gefühl, dass er, in nicht allzuferner Zukunft, ein Grand-Slam-Turnier gewinnen könnte.

Er hat an seinem Aufschlag gearbeitet und ist physisch stärker geworden, indem er Muskeln aufgebaut und in der „Off-Season“ trainiert hat. Früher hat er unnötige Fehler in engen Spielsituationen gemacht, seine Fehlerquote ist jedoch gesunken.

Er wird mehr und mehr zu einem kompletten Spieler, der Turniersiege gegen große Spieler einfährt. Wenn ich zu Sinners Team gehören würde, kann das neue Jahr nicht schnell genug kommen, auch wenn diese Saison lang war.

AUSTRALIEN WIRD ALCARAZ LIEGEN

Diese Woche war nicht der beste Untergrund für Alcaraz, aber das Gruppenphasen-Format war für ihn eine gute Vorbereitung auf das nächste Jahr. Die Niederlage im ersten Spiel des Turniers war seine dritte Pleite Folge, kämpfte sich jedoch mit zwei wirklich starken Siegen zurück, um das Schiff zu stabilisieren.

Wenn man ihm zu Beginn des Jahres gesagt hätte: "Hey, du wirst Wimbledon gewinnen", dann hätte er das glaube ich sofort angenommen. Gegen Ende des Jahres gab es ein paar Stolpersteine - und vielleicht hat er in Roland Garros ein paar Lektionen über Fitness und Zeitplanung gelernt - aber alles in allem war es eine tolle Saison für ihn.

Die Leute vergessen, dass er letztes Jahr verletzungsbedingt nicht in Australien gespielt hat, so dass er bis Februar keine Punkte einfahren konnte. Australien wird ein sehr gutes Pflaster für ihn sein, besonders wenn es dort heiß wird. Ich bin gespannt, wie die Wucht des Balles, die er schlägt, von diesem Belag, unter sehr warmen Bedingungen, abspringen wird.

NADALS HAT NOCH WAS VOR

Die Aussage von Rafael Nadal, dass er wirklich an eine Rückkehr glaubt, war eine wichtige Info. Was Rafa sagt, und wie er es sagt, ist von Bedeutung. Normalerweise ist er mit seinen Äußerungen ziemlich vorsichtig, aber er hat seine Absichten klar zum Ausdruck gebracht. Das zeigt mir, dass er in einem guten mentalen Zustand ist, was bedeutet, dass seine Gesundheit ebenfalls gut ist.

Wenn er bei den Australian Open antritt, könnte ich mir vorstellen, dass er vorher noch ein kleineres Turnier spielen muss, um ein paar Matches zu absolvieren.

Ich denke, er wird die Sache von Anfang Mai an rückwärts angehen. Er wird Roland Garros in seinem Kalender eingekreist haben und versuchen, dieses Turnier ein letztes Mal in Angriff zu nehmen, und jede Entscheidung, die er in den nächsten Monaten trifft, muss mit der Strategie für dieses Turnier übereinstimmen.

DEZEMBER IST DIE ZEIT, UM AKTIV ZU BLEIBEN

Dieser kleine Zeitraum am Ende der Saison ist enorm wichtig. Früher war mir dieser Teil des Jahres fast wichtiger als ein World-Tour-Finale, je nachdem, wo ich mich gerade befand. Das ist eine echte Chance, den Körper zu perfektionieren und die Weichen für das nächste Jahr zu stellen, um Verletzungen zu vermeiden.

Man kann so viel trainieren, wie man will, so viel laufen, wie man will, und es gibt kaum Reisestrapazen. Milchsäure in Flugzeugen, unterschiedliche Matratzen und Kissen - all diese Dinge können sich negativ auf den Körper auswirken. Sechs Wochen lang ein kontrolliertes Umfeld zu haben, ist unheimlich wichtig, vor allem für die Spieler, die professionell und diszipliniert sind.

Wenn man in Australien landet, merkt man immer, wer hart gearbeitet hat, und ich habe immer gesagt, dass das 10 oder 12 zusätzliche Matchsiege pro Jahr wert ist, wenn man im Dezember aktiv war und trainiert hat.

GROßES JAHR FÜR GAUFF UND SHELTON

Mit Iga Swiatek und Aryna Sabalenka gab es in diesem Jahr mehr oder weniger eine Dominanz zweier Spielerinnen, die nun von der Konkurrenz gejagt werden.

Eine der interessantesten Fragen wird sein, ob Coco Gauff einen Anlauf auf die Nummer 1 der Weltrangliste nehmen kann. Ich bin ein großer Fan von Coco. Sie sollte in der Vorbereitung ein bisschen an ihrem Aufschlag arbeiten. Sie hat einen starken Arm, es geht also darum, dort noch etwas Verbesserung reinzubekommen.

Bei den Herren hatte Ben Shelton vor einem Jahr noch nie zuvor das Land verlassen, und jetzt ist er die Nummer 17 der Welt, kann mit 145 km/h aufschlagen und hat schon an einigen Slams teilgenommen.

Nach Australien hatte er über einen längeren Zeitraum keine Spiele in Folge gewonnen. Deshalb war es eine große Sache, dass er bei den US Open einen solchen Lauf hatte, in Shanghai gut spielte und dann in Tokio ein 500er-Turnier gewinnen konnte. Er lernt immer noch dazu, was er Woche für Woche mit seinem Spiel machen will, deshalb wird es spannend sein zu sehen, wie gut das neue Jahr für ihn beginnt.