Ein wenig ratlos müssen sie sich angeschaut haben, die Jungs auf dem kleinen Exer, dem Exerzierplatz am Braunschweiger Rebenring. Soeben ist eine mit Leder umhüllte Ochsenblase in ihre Mitte gerollt. „Sie müssen den Ball treten, meine Herren!“, soll Konrad Koch ihnen von der Seite eine Hilfestellung gegeben haben. Gesagt, getan. So beginnt am 29. September 1974 das allererste Fußballspiel in Deutschland.

Koch, der später als Fußballvater bekannt wird, unterrichtet zu diesem Zeitpunkt Deutsch und Alte Sprachen am Braunschweiger Gymnasium Martino-Katharineum. Mit damals 28 Jahren ist er selbst noch relativ jung. Ihm bereitet Sorgen, dass es im wachsenden Braunschweig immer weniger Flächen gibt, auf der Kinder sich zum Spielen treffen können. Das unter Jugendlichen zunehmende Stubenhockertum ist ihm ein Dorn im Auge. Mittels gemeinschaftsfördernder Schulspiele möchte er dem Phänomen entgegenwirken.

Verlorene Spiellust wiederfinden

Nicht jeder an der Schule ist überzeugt von diesem Ansatz, der Direktor allerdings gibt grünes Licht. Ab 1972 lässt Koch seine Schüler verschiedene Spiele ausprobieren. Fußball kommt zwei Jahre später an die Reihe. „Beim Fußballspiel findet unsere deutsche, des frischen Spiels im Freien entwöhnte Jugend, am schnellsten ihre verlorene Spiellust wieder“, ist der Lehrer überzeugt. Unterstützt wird er von seinem Kollegen August Hermann. Der lässt sich extra einen Original-Fußball aus England zuschicken.

Im „Mutterland des Fußballs“ kicken sie schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Die ersten Fußballregeln werden 1848 von Studenten der Universität Cambridge aufgestellt und besagen etwa, dass eine Mannschaft aus bis zu 20 Spielern besteht. Schon 1870 schraubt die Football Association (FA) die Anzahl auf elf herunter. In Deutschland jedoch beginnt man 1874 zunächst noch mit 15 Spielern. Nicht die einzige Regel, die sich deutlich von den heutigen Vorgaben unterscheidet.

So darf der Ball mit den Händen aufgenommen werden. Er muss auch nicht im Tor landen, sondern über die Querlatte eines Mals geschossen werden, das fünf Meter breit und drei Meter hoch ist. Einen Schiedsrichter gibt es nicht. Stattdessen spricht der Spielkaiser einer jeden Mannschaft bei Regelverstößen eine Verwarnung gegen seine Teamkollegen aus. Schließlich sollen die Jungs beim Fußball Verantwortung übernehmen und Konflikte unter sich regeln.

Diese Herangehensweise ist gerade bei den Turnern verpönt. Turnvater Friedrich Ludwig Jahn hatte über die Jahre ein System geschaffen, in dem sein Sport nicht nur mit Schulen, sondern auch mit dem Militär eng verwoben ist. Anfangs sollte die körperliche Ertüchtigung deutsche junge Männer auf den Kampf gegen die napoleonische Besetzung vorbereiten. Die neue Sportart gilt unter Turnern als „Fußlümmelei“ und „Englische Krankheit“. Schienbeine können verletzt, Hosenbeine beschmutzt werden bei diesem anarchischen Treiben, das auch noch aus dem verhassten England stammt.

Abseits als Mittel gegen Faulpelze

Allen Naserümpfens zum Trotz ist die Begeisterung für Fußball nicht mehr zu stoppen. 1875 verfasst Koch das erste Regelwerk für den „Fußball-Verein der mittleren Klassen des Martino-Katharineums zu Braunschweig“. Begriffe wie Strafstoß, Halbzeit oder Mittelstürmer sind darin bereits enthalten. Auch die Abseitsregel wird eingeführt – nicht etwa, damit sich Angreifer keinen unfairen Vorteil gegenüber der Verteidigung verschaffen können, sondern damit faule Schüler nicht in der gegnerischen Hälfte herumlungern. Dem Vorwurf der "Fußlümmelei" tritt man entschieden entgegen: Laut Regelwerk darf sich " auf dem Platze niemand hinlegen oder müßig stehen".

Bald schon wird an zwei Tagen der Woche am Braunschweiger Gymnasium gespielt, jeweils mittwochs und samstags. Andere Schulen folgen ihrem Vorbild. Später tun sich Erwachsene in Vereinen zusammen, 86 Clubs gründen 1900 den Deutschen Fußball-Bund (DFB). Damit einher gehen zahlreiche Regelanpassungen. Handspiel ist nun verboten und ein Schiedsrichter überwacht die Einhaltung der Regeln.

Für Konrad Koch hat sich das Spiel in eine völlig falsche Richtung entwickelt. Längst steht nicht mehr die Lust an der Bewegung für alle im Vordergrund, sondern das Streben nach Siegen. Doch wer weiß: Hätte der Fußballvater geahnt, dass die von ihm in Deutschland eingeführte Sportart einmal Millionen von Mädchen und Jungs auf die Fußball- und Bolzplätze dieser Republik lockt, wäre er mit der Entwicklung vielleicht doch nicht ganz unzufrieden gewesen.

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